Häufige Fragen

Münzen sammeln

Syrakus, Dekadrachme

 

Das Sammeln von Münzen ist vermutlich beinahe genau so alt wie die Münzprägung selber, also mehr als 2500 Jahre. Seit im 7. Jahrhundert vor Christus die Könige von Lydien das aus dem Fluss Paktolos gewonnene Elektron, eine natürliche Legierung aus Gold und Silber, in Stücke annähernd gleichen Gewichts aufgeteilt und diese versehen mit ihrem Stempel als Tauschobjekte in Umlauf gebracht haben, hat sich diese den Handel und die Wirtschaft revolutionierende Erfindung in Windeseile über die ganze Welt ausgebreitet und die Geschichte der Menschheit mehr als zwei Jahrtausende lang wesentlich mitbestimmt. Handelspolitische Motive aber oft auch der Aspekt des außenpolitischen Prestiges sorgten schon im klassischen Altertum für eine schier unübersehbare Menge der unterschiedlichsten Geldsorten mit Münzen verschiedensten Gewichts und Aussehens. Und da manchen dieser Münzen ein ziemlich hoher Wert beigemessen und somit für ihre Herstellung entsprechende Sorgfalt aufgewendet wurde, entstanden mitunter echte Kleinkunstwerke. Dass diese auch von den Zeitgenossen als solche angesehen wurden, belegt die Zusammensetzung mancher Münzfunde ebenso wie die bemerkenswerte Tatsache, dass bereits im späten 5. Jahrhundert manche Münzen, etwa solche aus der Stadt Syrakus auf Sizilien, mit der Signatur der Künstler, welche die Prägestempel geschnitten hatten, versehen wurden.

Anscheinend wurden Münzen also von Anfang an nicht nur als Gebrauchsgegenstände mit einem gewissen Tauschwert sondern als Objekte eigener Qualität angesehen, die man um ihrer selbst Willen aufbewahren und unter ästhetischen, geographischen oder auch historischen Gesichtspunkten sammeln konnte. Der einzige direkte Hinweis auf das Sammeln von Münzen vor der Zeit der europäischen Renaissance, in diesem Fall auf eine Münz­sammlerin, stammt indes aus Byzanz: Der byzantinische Gelehrte Michael Psellos (1018-1078) berichtet in seiner Chronographeia darüber, dass Theodora, die jüngere Tochter des Basileios II. Bulgaroktonos und spätere Kaiserin, eine leidenschaftliche Sammlerin antiker Goldmünzen, namentlich persischer Dareiken, gewesen sei und für ihre Sammlung extra massive Bronzetresore anfertigen ließ.

 

Ansonsten haben wir leider nur indirekte Zeugnisse für das Sammeln von Münzen im Alter­tum und im Mittelalter. Zwar hören wir immer wieder von bedeutenden Kunstsammlern und großen Kunstsammlungen, aber in welchem Maß sich unter den gesammelten Objekten schon damals auch Münzen befunden haben, können wir nicht sagen. Dass man jedoch im europäischen Mittelalter die Münzen des klassischen Altertums als sammelwürdige Kunst­gegenstände betrachtet hat, zeigt deren reichliche Verwendung bei der Gestaltung von kost­baren Buchdeckeln und bei Schöpfungen des Gold­schmiedehandwerks. Nachweisen können wir das systematische Sammeln von Münzen jedoch erst für die Zeit der Renaissance. Das neu erwachte Interesse an den Ursprüngen der eigenen Kultur führte zu einer intensiven Beschäftigung mit allen Hinterlassenschaften des Altertums. Hier boten sich neben der literarischen Überlieferung in erster Linie die Münzen als authentische und in hohem Maße aussagefähige Zeugen der Vergangenheit an. So ist es kein Zufall, dass einer der ersten wichtigen Münzensammler, von dem wir wissen, der italienische Dichter und Philosoph Petrarca war, der das humanistische Denken der europäischen Renaissance ganz entscheidend mitgeprägt hat. Als einer der ersten hat Petrarca Münzen dazu be­nutzt, Lücken in der Kenntnis der römischen Geschichte, die die stark fragmentierte literarische Überlieferung ge­lassen hatte, aufzufüllen. Aber schon damals stand er mit der Erkenntnis, dass es sich beim Sammeln von Münzen um eine bedeutsame antiquarische Tätigkeit handelt, sicher nicht allein da. Schon seit der Mitte des 15. Jahrhunderts gibt es Aufzeichnungen und Inventare zu bedeutenden Sammlungen von Münzen des klassischen Altertums, die sich in der Regel im Besitz grosser fürstlicher Familien wie der Medici oder der Habsburg befanden.

Diese Dummheit, von welcher der Chronist spricht, breitete sich indes immer weiter aus und das nicht nur in Deutschland. Im16. und 17. Jahrhundert gingen immer mehr Landesfürsten und freie Städte dazu über, Exemplare all der Münzen aufzubewahren, die im Namen ihrer Familie respektive im Namen ihrer Staaten herausgegeben worden waren. Als Hubert Goltzius, einer der ersten wissenschaftlichen Numismatiker Deutschlands, in den Jahren zwischen 1556 und 1560 Westeuropa bereiste, fand er fast 950 Münzkabinette vor, darunter alleine in Deutschland mehr als 200.

Die Numismatik, also die wissenschaftliche Münzkunde hat sich seit dieser Zeit zu einer der wichtigsten Stützen der allgemeinen Geschichtswissenschaften entwickelt. Von der Erfindung der Buchdruckerei bis ins 19. Jahrhundert hinein gibt es kaum ein Buch zur Altertums­wissenschaft, das nicht ausgiebig mit Münztafeln illustriert ist, und bis zum heutigen Tag gibt es wenig althistorische Werke von Bedeutung, die nicht in der einen oder anderen Weise auf das Zeugnis der Münzen zurückgreifen. Die Verbreitung von Büchern mit und über Münzen hat gewiss das ihrige zur Popularität des Münzen-Sammelns beigetragen.

War das Sammeln von Münzen im 16. und 17. Jahrhundert noch überwiegend dem Adel vor­behalten – mit Christina von Schweden und Lieselotte von der Pfalz seien zwei berühmte Sammlerinnen dieser Zeit erwähnt - so brachte es der Aufstieg des städtischen Bürgertums im 18. Jahrhundert mit sich, dass sich immer mehr Privatleute eigene Münzsammlungen zu­legten. Schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts tauchten die ersten populären Münzzeitschriften in Deutschland auf. Die bedeutendste Publikation dieser Art war "Köhlers Münz­belustigungen", die von 1729 bis 1750 in Nürnberg erschien und weiteste Verbreitung fand. Zugleich begann in dieser Epoche der Handel mit Sammlermünzen im eigentlichen Sinne, der in dem Frankfurter Bankier und Münzenhändler Meyer Amschel Rothschild seinen ersten herausragenden Vertreter fand. Die nachmalige Größe und Bedeutung des Bankhauses Roth­schild war in erster Linie der schier unersättlichen Sammelleidenschaft des Hanauer Grafen Wilhelm, der 1785 die Landgrafschaft Hessen-Kassel erbte, zu verdanken.

In der Folgezeit griff das Sammeln von Münzen schnell um sich und erstreckte sich bald auch auf andere Gepräge als die der Antike. So hören wir in der "Preussischen Chronik" von Grunau erstmals von einem etwas bescheideneren deutschen Münzensammler, dem Bischof Stephan von Kulm, der von 1480 bis 1495 regierte und in dem Chronisten auch gleich den ersten Kritiker seiner merkwürdigen Beschäftigung fand:

"Er saß uf seynem Schlosse und besagh den Dag über die frembde und seltsame Muntze, die er hatte; denn man sagte von ym, dass er sich vorhin beflissen hette, dass er aller Lande Muntze hette. Dys that er mer aus Dumheit denn anders warumb, wenn er war eyn seer alter Man."

Im 19. Jahrhundert hatte sich das Sammeln von Münzen und Medaillen schließlich zur Be­schäftigung für ein breites und ständig wachsendes bürgerliches Publikum entwickelt. Zu den Sammlern gehörten auch Geistesgrößen wie Winckelmann oder Goethe. 1843 gründeten Wissenschaftler, die Kuratoren der örtlichen Münzkabinette und einige private Sammler in Berlin den ersten Münzsammlerverein. In der Folgezeit wurden nicht nur die staatlichen sondern auch immer mehr private Sammlungen systematisch gesichtet und erfasst. Die numis­matische Forschung nahm einen beispiellosen Aufschwung und viele bis heute gültige Standardwerke der münzkundlichen Fachliteratur entstanden in dieser Zeit. Zugleich wurden überall in Europa die ersten großen Münzhandlungen bzw. die ersten allein auf die Numis­matik ausgerichteten Auktionshäuser gegründet. In Deutschland entwickelte sich die Stadt Frankfurt zum Zentrum des Münzhandels von internationalem Niveau, eine Stellung, die die Stadt bis weit ins 20 Jahrhundert hinein behalten sollte (vgl. unsere Firmengeschichte).

Heute erfreut sich das Sammeln von Münzen und Medaillen aus den verschiedensten Epochen und Ländern einer ungebrochenen Beliebtheit bei einem breiten und vielfältig interessierten Publikum, obwohl der Umlauf von Münzen und damit der alltägliche Umgang mit diesen traditionellen Begleitern unserer Kultur im Abnehmen begriffen ist. Dabei haben sich die Kriterien, nach denen der einzelne Sammler seine Schätze zusammenträgt und seine Sammlung zu einem organischen Ganzen aufbaut, im Grunde kaum verändert. Ausschlag­gebend beim Sammeln von Münzen des klassischen Altertums, von Brakteaten oder gotischen Goldmünzen des hohen Mittelalters, von Medaillen der europäischen Renaissance und von manchen Geprägen des Barock bleibt der ästhetische Gesichtspunkt, das heißt der Wunsch, Beispiele der Kunst einer bestimmten Epoche zusammenzutragen und sich an ihrer Schönheit zu erfreuen. Insofern ist der Münzsammler auch immer Kunstsammler und sein Blick auf die Objekte der des Kenners und Liebhabers. Hinzu tritt bei Münzen aber oft auch ein historisch systematischer Aspekt. Seit je her haben Münzen, die als Zahlungsmittel von Hand zu Hand gingen, auch als Träger von Nachrichten und politischen Aussagen jedweder Art gedient. Nicht nur die Porträts der jeweiligen Herrscher sondern auch konkrete Ereignisse wie fürst­liche Hochzeiten, Geburten und Todesfälle, Kriegserklärungen und Friedensschlüsse, Bau- und sonstige Projekte wurden auf diese Weise bekannt gemacht. Für den entsprechend interessierten Sammler geht es mithin darum, die Geschichte einer bestimmten Region oder einer Epoche an Hand der jeweils hinterlassenen Gepräge zu dokumentieren. Manches Mal stellen diese sogar die einzigen wirklich aussagefähigen Zeugnisse dar, die auf uns gekommen sind. Bei so einem Ansatz ist der Sammler also nicht zuletzt Historiker, der sich bei seiner Tätigkeit mit Fragen nach Personen und Ereignissen der Vergangenheit auseinandersetzt, was ihn bisweilen weit über die direkte Beschäftigung mit den Münzen hinausträgt. Und dann gibt es selbstverständlich auch noch den lokalhistorischen und den geographischen Aspekt, bei dem sich der Sammler von dem Interesse an einer bestimmten Region - nicht selten seiner Heimat - oder an einem gewissen geo­graphischen Überblick wie einst der Bischof Stephan von Kulm leiten lässt.

Das Sammeln von historischen Münzen und Medaillen blickt also auf eine lange und bedeut­same Tradition zurück. Es ist eine ebenso lehrreiche wie unterhaltende Tätigkeit, die auf dem Weg der Rückbesinnung zur Definition des eigenen kulturellen Umfeldes und zur eigenen Orientierung dienen kann. Denn Münzen und Medaillen sind stets unmittelbare Dokumente ihrer jeweiligen Epoche, vom 7. Jahrhundert v. Chr. bis heute. Und als solche gehören Sie zu den wenigen Objekten von historischer Bedeutung, die nach wie vor verhältnismäßig ein­fach erhältlich und auch für den Privatmann erschwinglich sind.

Frankfurt, Taler